In diesem Artikel findest du kurze Rezensionen und Empfehlungen einiger sehr lesenswerter Bücher über Soziologie und Sozialpsychologie.
Ebenso, als Kontrast zu Fachbüchern, kann ich dir einige interessante Geschichtsbücher empfehlen.
Der Tipping Point. Wie kleine Dinge Großes bewirken können
von Malcolm Gladwell
Englisches Original: The Tipping Point: How Little Things Can Make a Big Difference
Warum setzen sich manche Ideen und Trends – sei es in der Mode, in der Technik oder im Sozialverhalten – durch und andere nicht? Warum werden manche Bücher Bestseller, während andere Ladenhüter bleiben? Was ist das Erfolgsgeheimnis der Sesamstraße?
Malcolm Gladwell ist diesen Fragen auf den Grund gegangen und beschreibt das Phänomen des sogenannten “Tipping Point” – den Punkt, an dem Verhaltensänderungen einiger weniger Menschen auf eine kritische Masse übergreifen … und die Welt verändern können.
Auslöser für den Tipping Point ist in der Regel das Zusammenspiel aus wenigen, aber gut vernetzten Personen, einer einprägsamen Botschaft und dem richtigen Umfeld und Zeitpunkt.
Kritisch anzumerken ist, dass viele Argumente des Autors vor allem auf Beobachtungen beruhen und kaum wissenschaftlich fundiert sind, wie z. B. die Begründungen für gesunkene Kriminalitätsraten.
Dennoch ist das Buch durchaus interessant, unterhaltsam und lesenswert.
Geeignet als Hörbuch? Ja.
Blink!: Die Macht des Moments
von Malcolm Gladwell
Englisches Original: Blink: The Power of Thinking Without Thinking
In Blink geht es um Intuition – darum, wie wir unserem Bauchgefühl vertrauend in Sekundenbruchteilen Entscheidungen treffen, ohne uns bewusst zu sein oder erklären zu können, wie und warum wir so entschieden haben.
Wie zuverlässig sind intuitive Entscheidungen im Vergleich zu denjenigen, die wir bewusst und überlegt fällen – auf Basis sorgfältiger Sammlung und Analyse von Daten und daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen?
Laut Bestseller-Autor Malcolm Gladwell äußerst zuverlässig, wofür er eine überzeugende Erklärung und zahlreiche unterhaltsame Beispiele liefert.
Da ist z. B. der Kunstexperte, der eine Millionen Dollar teure und wissenschaftlich untersuchte Skulptur auf den ersten Blick als Fälschung erkennt. Der Feuerwehrmann, der seine Mannschaft plötzlich aus einem Haus kommandiert, Sekunden bevor es einstürzt. Und der Eheberater, der ein Paar nur wenige Minuten beobachten muss, um treffsicher vorherzusagen, wie lange deren Ehe halten wird.
All diese Menschen können ihre Handlungen nicht erklären. Laut Gladwell liegt das aber keineswegs daran, dass sie keine Informationen verarbeitet haben. Sie haben das bloß unbewusst getan.
Jahrzehntelange Erfahrung ist weitverzweigt in ihren Gehirnen gespeichert und wird fast augenblicklich unbewusst verarbeitet. So kommt das Gehirn in Sekundenschnelle zu demselben – oder sogar zu einem besseren – Ergebnis als nach stunden- oder tagelangen bewussten Überlegungen.
Doch Vorsicht ist geboten. Denn auch das Unterbewusstsein lässt sich täuschen. So wurde bspw. Warren G. Harding in erster Linie wegen seines staatsmännischen Aussehens zum US-Präsidenten gewählt – und entpuppte sich als einer der schlechtesten Präsidenten der amerikanischen Geschichte.
Ein weiteres Beispiel ist der sogenannte “racial bias” (rassistische Voreingenommenheit): Viele Menschen ordnen negative Begriffe eher schwarzen Menschen zu und positive Begriffe weißen Menschen. Je nach kultureller Prägung unterliegen selbst schwarze Menschen diesem Bias.
Das Buch ist leicht zu lesen, und dank der zahlreichen fesselnden Geschichten sehr unterhaltsam. Es macht die unbewussten Entscheidungen bewusst und regt zum Nachdenken darüber an, wann man seiner Intuitionen trauen sollte und wann nicht.
Geeignet als Hörbuch? Ja.
Überflieger: Warum manche Menschen erfolgreich sind – und andere nicht
von Malcolm Gladwell
Englisches Original: Outliers: The Story of Success
Unzählige Bücher sind darüber geschrieben worden, warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht. Die Antworten gehen immer in dieselbe Richtung: Talent, Intelligenz, Fleiß, Leidenschaft, Durchhaltevermögen.
All diese Punkte sind wichtig, das steht außer Frage. Aber ein Thema wird fast immer ausgelassen – und genau darum geht es in diesem Buch: der Zufall!
Malcolm Gladwell zeigt (wie immer) mit zahlreichen unterhaltsamen und durch Studien gestützten Geschichten, welche glücklichen Umstände erfolgreichen Menschen den (Karriere-)Weg geebnet haben.
Da sind zum Beispiel die Profisportler, die in den Monaten Januar, Februar und März geboren wurden. Innerhalb ihres Jahrgang haben sie körperliche Vorteile gegenüber jüngeren Spielern. Diese Vorteile gleichen sich im Laufe ihrer Karriere nicht etwa aus, sondern werden durch eine Feedbackschleife aus Erfolg und Förderung immer stärker.
Da sind asiatische Schüler, die den europäischen in Mathematik ein Jahr voraus sind, einfach weil in asiatischen Sprachen Zahlen so ausgesprochen werden, dass sich leichter mit ihnen rechnen lässt.
Da ist Bill Gates, der zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Schule war – nämlich an einer der wenigen, die zu der Zeit einen Computer besaß und ihm regelmäßigen Zugang dazu gewährte.
Natürlich sind es nicht diese äußeren Faktoren allein, die den Erfolg ausmachen. Um erfolgreich zu sein, muss man die gebotenen Chancen auch ergreifen. Und da kommen wieder Fleiß, Leidenschaft und Durchhaltevermögen (auch bekannt als “Grit”) ins Spiel.
Auch dieser Gladwell-Bestseller ist eine sehr unterhaltsame und kurzweilige Lektüre und lässt uns den Erfolg von Überfliegern aus einem anderen Blickwinkel betrachten.
Geeignet als Hörbuch? Ja.
David und Goliath: Die Kunst, Übermächtige zu bezwingen
von Malcolm Gladwell
Englisches Original: David and Goliath: Underdogs, Misfits, and the Art of Battling Giants
Anhand zahlreicher David-gegen-Goliath-Geschichten zeigt Gladwell im gleichnamigen Buch, wie sich Außenseiter gegen scheinbar übermächtige Gegner durchsetzen können, indem sie vermeintliche Nachteile zu Vorteilen machen – und umgekehrt, wie vermeintliche Vorteile an einem gewissen Punkt zu Nachteilen werden.
Die Geschichten der Underdogs kommen aus unterschiedlichsten Bereichen: Legastheniker, die ihre Leseschwäche durch ein exzellentes Gedächtnis kompensieren; Basketballteams, die ihre körperliche Unterlegenheit durch unkonventionelle Strategien wettmachen; Bürgerrechtler, die sich von gescheiterten Attentatsversuchen nicht einschüchtern lassen, sondern in ihren Bestrebungen bestärkt werden; Menschen, die Kriege und andere Tragödien überlebt haben.
Allen ist gemein, dass sie scheinbar ausweglose Situationen trotz aller Widrigkeiten nutzen, um unkonventionelle Strategien und alternative Fähigkeiten zu entwickeln, insbesondere Widerstandsfähigkeit, Risikobereitschaft und Hartnäckigkeit, die später die Grundlage für ihren Erfolg bilden.
Auf der anderen Seite stehen die vermeintlichen Gewinner: Kinder reicher Eltern, Schüler in immer kleineren Klassen und Studenten an Eliteuniversitäten.
Gladwell beschreibt, wie in all diesen Bereichen das "Gesetz der umgekehrten Parabel" gilt, d. h. dass die Vorteile bestimmter Eigenschaften zwar bis zu einem bestimmten Punkt zunehmen, dann aber abkippen.
So erschwert es beispielsweise extremer Reichtum dem Nachwuchs Werte wie Fleiß, Ehrgeiz und Selbstständigkeit zu vermitteln. In zu kleinen Schulklassen mangelt es an Vielfalt und Dynamik. Und Schüler mittelmäßiger Schulen haben nachweislich höhere Erfolgsaussichten als diejenigen an Eliteunis wie Harvard.
Gladwell hat wieder einmal ein unterhaltsames, spannendes, lehrhaftes und empfehlenswertes Buch geschrieben. Er zeigt uns, dass wir unseren Schwächen nicht hilflos ausgeliefert sind und unsere Stärken niemals überschätzen sollten, da die Realität oft viel komplexer ist, als wir denken.
Geeignet als Hörbuch? Ja! Und es wird, wie alle Gladwell-Hörbücher, vom Autor selbst gelesen.
Die Kunst, nicht aneinander vorbeizureden
von Malcolm Gladwell
Englisches Original: Talking to Strangers: What We Should Know about the People We Don't Know
In “Die Kunst, nicht aneinander vorbeizureden” geht Malcolm Gladwell der Frage nach, warum es bei der Kommunikation mit Fremden immer wieder zu Missverständnissen kommt.
Er erzählt Geschichten von Verkehrskontrollen, die im Suizid enden, von falschen Verdächtigungen in Mordfällen, von Vermögensverwaltern, die Anleger um Milliarden betrügen, und von erfolgreichen Täuschungen in der Welt der Geheimdienste.
Menschen gehen in der Regel davon aus, dass sie bei einer persönlichen Begegnung ihr Gegenüber gut einschätzen können. Deshalb treffen wir Babysitter und Bewerber persönlich, bevor wir sie einstellen. Und Richter lassen Angeklagte persönlich erscheinen, um über Kautionsanträge zu entscheiden.
Tatsächlich zeigen zahlreiche Studien, dass Entscheidungen, die auf Fakten basieren, oft besser sind als solche, die auf persönlichen Begegnungen beruhen.
So ist z. B. unsere Fähigkeit Lügen zu erkennen, erstaunlich schlecht. Unsere Gesellschaft basiert auf einem ehrlichen Miteinander, und daher gehen wir in der Regel davon, dass unser Gegenüber die Wahrheit sagt (“Default to Truth”-Theorie).
Wie alle Gladwell-Bücher verbindet auch “Die Kunst, nicht aneinander vorbeizureden” wissenschaftliche Erkenntnisse mit gut recherchierten, detailreich verwobenen Geschichten, was es zu einer unterhaltsamen Lektüre macht.
Es hilft uns zu verstehen, warum es immer wieder zu Missverständnissen kommt. Wir können unsere Grenzen akzeptieren, Fremden nicht die Schuld für unbeabsichtigte Missverständnisse geben und Verständnis für unsere Mitmenschen aufbringen, wenn diese im “Default-to-Truth”-Modus von böswilligen Fremden getäuscht wurden.
Der deutsche Titel ist übrigens keine besonders gute Übersetzung. Gladwell macht die Leser auf ein Problem aufmerksam – eine Lösung dafür hat er nicht. Der englische Titel “Talking to Strangers: What We Should Know about the People We Don't Know” ist wesentlich passender.
Als Hörbuch geeignet? Ja, sehr: Wie alle Gladwell-Bücher wird es vom Autor selbst vorgelesen. Interviews sind im Originalton enthalten, anstatt vom Autor vorgelesen zu werden.
Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt
von Richard H. Thaler und Cass R. Sunstein
Englisches Original: Nudge: The Final Edition
Menschen treffen oft Entscheidungen, die zu ihrem Nachteil sind – sei es aus Faulheit, Voreingenommenheit, mangelndem Wissen oder anderen Gründen. Menschen treiben wenig Sport, ernähren sich ungesund und zerstören die Umwelt.
Um bessere Entscheidungen zu treffen, reicht oft schon ein kleiner "Schubser" (englisch: "nudge") in die richtige Richtung. So hat beispielsweise die Anordnung von Speisen in einer Kantine einen erheblichen Einfluss darauf, ob die Gäste eher zum Salat oder zur Currywurst greifen.
Eine Gesellschaftsform, in der solche Stupser vom Staat ausgehen, bezeichnen die Autoren als "libertären Paternalismus". Dabei sorgt der Staat durch eine intelligente Präsentation der Optionen dafür, dass die Menschen vernünftige Entscheidungen für sich und die Gesellschaft treffen, ohne dabei die Entscheidungsfreiheit der Bürger einzuschränken.
Die Autoren erörtern das Für und Wider des "libertären Paternalismus" anhand zahlreicher anschaulicher Beispiele aus den Bereichen Bildung, Umwelt, Altersvorsorge, Finanzen, Versicherungen, Gesundheit – und auch ethische Fragen werden behandelt, wie etwa Opt-In bzw. Opt-Out-Regelungen für Organspenden (ein überraschend komplexes Thema).
Das Buch ist hochinteressant, unterhaltsam und sehr leicht zu lesen - eine Empfehlung sowohl für diejenigen, die einen positiven Einfluss auf andere haben wollen, als auch für diejenigen, die die Welt mit etwas offeneren Augen sehen und "Nudges" in ihrer Umgebung erkennen wollen.
Als Hörbuch geeignet? Ja.